Meine eigene Erziehung in einem gutbürgerlichen Akademikerhaushalt war weitgehend freundlich und liebevoll, aber auch streng und mit einem hohen ethisch-moralischen Anspruch.
Wir waren „Gutmenschen“ mit christlichen Werten und die Frauen- und Männer Rollen waren klar verteilt. Als Frau galt es bescheiden, lieb und angepasst zu sein, keine Ansprüche zu haben, sich zurückzunehmen und immer allen die Wünsche von den Augen abzulesen – im Bemühen, alle glücklich zu machen. Das, was im Allgemeinen unter „gute Erziehung“ verstanden wird.
Späte Erkenntnis
Als ich mit 42 Jahren damit begann, Seminare zum Persönlichkeitstraining zu besuchen, erschrak ich. Ich erkannte, dass mein eigenes Lebensglück bis dahin davon abhing, inwieweit ich es schaffte, meine Lieben glücklich zu machen. Ich wusste weder, wer ich bin, noch kannte ich meine Bedürfnisse. Selbstliebe – wie geht das? – fragte ich mich.
Ich hatte perfekt gelernt, meine eigenen Bedürfnisse immer unterzuordnen, bis ich sie gar nicht mehr spüren konnte. Aber eines konnte ich damals spüren: Ich war erschöpft und zutiefst traurig. Das Gefühl, alles gegeben zu haben, aber vom Leben nicht zurückzubekommen, was ich mit so viel Einsatz hineingegeben hatte, tat wahnsinnig weh.
Ich hatte Wut auf meinen Mann, war enttäuscht von meinen Kindern, fühlte mich ausgenutzt und gleichzeitig als Versagerin auf allen Ebenen. Viel zu lang hatte ich mir alles schöngeredet und nicht wahrhaben wollen, dass hier etwas für mich überhaupt nicht stimmt.
Selbstentdeckung
Es war ein kleines Abenteuer, plötzlich die Erlaubnis zu bekommen, mich und mein Empfinden wichtig und ernst zu nehmen. Bislang hatte ich danach gelebt, mich „zusammenzunehmen“, die Zähne zusammen zu beißen und mich nicht anzustellen. Ich begann, mir selbst zuzuhören und mir nicht ständig etwas abzuverlangen, das gegen meine eigenen Bedürfnisse gerichtet war. Und ich lernte, den Fokus auf das zu lenken, was ich mir vom Leben wünsche, statt auf die Probleme. All diese kleinen Veränderungen führten zu einer neuen Haltung dem Leben gegenüber.
Jede Regel und Vorgabe hat das Potential, dich von dir und deiner Wahrheit zu entfernen
Inzwischen sehe ich immer deutlicher – da, wo ich selbst in Kontakt zu meiner inneren Stimme bin, bekomme ich eine ganz klare und gute Führung, wo es für mich langgeht. Je mehr Vorgaben ich bekomme, die ich erfülle, ohne zu spüren, ob das für oder gegen mich ist, umso leiser wird die innere Stimme in mir. Wo andere für mich entscheiden und ich mich einfach nur füge, entferne ich mich von mir selbst. (Zum Thema Pflichterfüllung hier noch ein anderer Blogartikel von mir)
Ich wünsche uns allen die Erlaubnis, uns selbst ernst zu nehmen, der eigenen Wahrheit zu vertrauen und dann mutig und mitfühlend den eigenen Weg zu gehen. Dafür dürfen wir sogar die „gute Erziehung“ ein Stück weit hinter uns lassen :-). Das ist der Weg, den ich nun seit 20 Jahren gehe mit Kurven und Umwegen, aber sehr erfüllt und glücklich. Meine Erfahrung gebe ich mit viel Freude weiter, an alle, die bereit sind, für sich selbst neue Perspektiven zu wagen. Liebe Frauen, liebe Mamas, ihr habt es verdient, glücklich zu sein und für euch zu gehen! Guck doch mal hier
Von Herzen, Christel