
Mit sich selbst ehrlich zu sein ist viel schwieriger, als man denkt. Wir alle haben unendlich viele Vorstellungen davon, wie etwas zu sein hat, wie wir selbst sein sollten und was erlaubt bzw. verboten ist. Leider ist uns das oft gar nicht bewusst. Dann entstehen diese berühmten blinden Flecke. Andere Menschen können von außen oft leicht erkennen, an welcher Stelle ein anderer Mensch sich selbst etwas vormacht – wir selbst können es lernen, immer ehrlicher zu werden. Tatsächlich hilft dafür liebevolle Rückmeldung von Menschen, von denen wir bereit sind, solche Hinweise anzunehmen. Es gibt aber auch noch einen spannenden anderen Weg, uns selbst dabei zu entdecken, wenn wir dabei sind, Ausflüchte vor uns selbst zu suchen.
Ehrlich sein, deinen Gefühlen gegenüber
Es gibt eine ganze Menge Gefühle, die fühlen sich für uns nicht angenehm an und werden auch gesellschaftlich negativ bewertet. Unsicherheit, Neid, Angst, Scham, Trauer, Wut sind nur ein paar prominente Beispiele. Haben wir tief verinnerlicht, dass wir uns „im Griff haben müssen“ mit unseren Emotionen, wollen wir sie möglichst wenig fühlen. Statt zu fühlen, was da gerade in uns für ein Gefühl ist, haben wir Strategien entwickelt, die über wundervolle logische Erklärungen eine Analyse der Situation geben, die uns berechtigt, z.B. ärgerlich auf jemanden zu sein. Das ist absolut gesellschaftsfähig und oft bekommen wir noch Zustimmung und fühlen uns dadurch schon gleich besser. Im Innern sitzt möglicherweise eine sehr zaghafte, traurige Stimme, die sich danach sehnt, gehört zu werden – aber wir können ihr gar keine Aufmerksamkeit schenken, weil wir ja unsere Erklärungen ausführen müssen.
Ehrlich hinein zu fühlen, könnte heißen, Raum zu geben für Fragen
Was ist da gerade in mir? Oder, was würde das Gefühl sagen, wenn es eine Stimme hätte? Dies kann durchaus anspruchsvoll sein. Aber wir haben dadurch die Chance, auch unterdrückte Persönlichkeitsanteile wieder zu uns zurück zu holen, die sich kaum noch trauen, ihre Botschaften loszuwerden, weil wir sie jedes Mal verjagt haben, wenn sie sich gezeigt haben.
Für mich ist es inzwischen ein Indiz, wenn ich beginne, Interpretationen und Analysen von Situationen zu durchdenken – statt einfach ehrlich wahrzunehmen, was ich da gerade fühle. Dann nehme ich mir ein Blatt Papier und einen Stift und fange an zu schreiben. Während ich schreibe oder Gedichte verfasse, wird mir meist klar, um was es da gerade geht. Und allein das reicht oft schon – mein Inneres ist zufrieden, dass ich zugehört habe, was es auf dem Herzen hatte und schon fühle ich mich wieder gut. Gefühle wegzudiskutieren haben wir gelernt, aber es hinterlässt einen unguten Beigeschmack.
Liebevolle Aufmerksamkeit sich selbst gegenüber
ist ein wunderbares Werkzeug, um zu lernen, ehrlich mit sich selbst zu sein. Wirklich all den Stimmen im Innern Gehör zu schenken und sie anzunehmen und ernst zu nehmen in ihren Anliegen, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Fast ein wenig so, wie bei einer „Mitarbeiterversammlung“. Jeder Einzelne wird im besten Falle wirklich ernst genommen und kann aufhören, ums Recht haben zu kämpfen. Darum geht es eben gar nicht. Verschiedene Wahrheiten, Ansichten und Herangehensweisen stehen im Raum und können nebeneinander existieren. Jeder innere Anteil bekommt die Erlaubnis, zu fühlen, was er fühlt ohne Korrektur oder Ablehnung. Manchmal braucht es vielleicht sogar eine Einladung und Ermutigung, ganz ehrlich wahrnehmen zu dürfen, was da wirklich ist.
Ich wünsche dir viele ehrliche Momente und Erkenntnisse, die dir den Weg zu dir selbst immer mehr erschließen. Wenn du dir Unterstützung für diesen Weg wünschst, melde dich gern über mein Kontaktformular für ein kostenloses Erstgespräch.
Von Herzen, Christel
